Andere Laender – andere Sitten

30 11 2010

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Das Wichtigste in aller Kuerze: Seit 2 Tagen befinde ich mich in Fes, einer Grossstadt im noerdlichen Marokko. Ich bin nach wie vor mit dem franzoesischen Ehepaar zusammen, das ich in Tanger getroffen habe; der vierte von uns, Efe, ist unterwegs in einer Stadt haengengeblieben.  Seit meinem letzten Eintrag haben wir das Rif-Gebirge durchquert und 3 weitere Staedte besucht, in denen wir jeweils ein paar Tage geblieben sind: Tetouan, Chefchaouen und nun Fes. Zurzeit haelt uns das schlechte Wetter von der Weiterfahrt ab; eigentlich wollten wir schon heute abreisen.

Es ist nun genau 20 Tage her, dass ich meinen ersten Bericht aus Marokko geschrieben habe. In dieser Zeit habe ich so viel Pfefferminztee wie noch nie in meinem Leben getrunken, war kein einziges Mal in einem Supermarkt einkaufen, musste einsehen, dass es auch in Afrika einen Winter und schlechtes Wetter gibt, habe haeufiger in Hotels oder bei netten Menschen zu Haude uebernachtet- und bin so wenig Fahrrad gefahren wie noch nie. Kurzum: hier in Afrika steht das Reisen im Vordergund; und der Sport im Hintergrund. Das liegt zum einen an dem Zustand der marokkanischen Strassen; vor allem aber liegt es daran, dass sich das Leben hier so sehr von dem in Deutschland unterscheidet. Es existiert einfach eine voellig andere Kultur, die sich vor allem in der Religion (und der Art wie diese befolgt wird) von der in Europa unterscheidet.

Ein Zeichen dessen, die Verschleierung der Frauen, ist ja nun mittlerweile auch in Deutschland kein ungewohnter Anblick mehr. Daneben gibt es aber auch vieles, das neu ist und an das man sich z.T. erst gewoehnen muss. So geht die Ungleichbehandlung von Mann und Frau weit ueber das Kopftuch hinaus, sodass Frauen z.B. nur sehr selten mit Maennern zusammen essen- in Restaurants und Cafes sind daher fast ausschliesslich Maennergesellschaften zu sehen. Auch habe ich noch keine Frau gesehen, die raucht; fuer Maenner gitlt das Gegenteil. Der Feiertag ist im Islam der Dienstag- Sonntag ist normaler Arbeitstag. Alkohol ist durch die  Religion streng untersagt und gibt es daher auch in keiner Form zu kaufen, weder in Cafes, noch in Restaurants; Bars gibt es daher eh nicht. Dafuer wird umso mehr geraucht, sodass ich den Eindruck habe, dass das Rauchen das Trinken weitgehend ersetzt hat. Die linke Hand gilt im Islam als unrein und ist daher beim Essen tabu- genauso wie Schweinefleisch uebrigens, das ebenso kein Thema ist wie Alkohol.

Aber nicht nur die Religion ist eine andere, sondern die ganze Mentalitaet der Menschen. Diese unterscheidet sich von der in Europa vor allem in der Offenheit, Herzlichkeit, Neugier und der ueberwaeltigenden Gastfreundschaft; diese Unterschiede merkt man als Fahrradreisender ganz besonders. Kaum jemand, der nicht winkt, hupt oder ruft, wenn wir mit unseren Raedern vorbeifahren. Kinder laufen oft am STrassenrand mit, und freuen sich, wenn wir anhalten und sie unsere Raeder genauer begutachten zulassen. Haeufig werden wir auch eingeladen, auf einen Tee, etwas zu essen oder eine Uebernachtung. Das Bewegende dabei ist oft, dass diese Menschen meist selbst nicht viel zum Leben haben; oft nur eine einfache Huette ohne fliessend Wasser- und trotzdem haben sie fuer einen Gast, einen Fremden, immer einen heissen Tee oder ein Stueck Brot uebrig.

Obwohl das alles neu fuer mich ist, werde ich wegen meines Aussehens nicht selten fuer einen Marokkaner, oder zumindest einen Araber gehalten. Spaetestens aber wenn jemand ein Gespraech anfangen will, das ueber „Hallo, wie geht’s“ hinausgeht, muss ich mich als Deutscher outen- wenn auch mit afrikanischen Wurzeln. Mit der Sprache selbst hapert es aber deutlich mehr als mit dem intuitiven Spanisch, da sich Arabisch schon sehr von den mir bekannten Sprachen unterscheidet. Trotzdem versuche ich mir die Worte und Phrasen, die ich von Leuten hoere, zu merken; vorgestern habe ich mir sogar ein Lautschrift-Woerterbuch gekauft. Zum Glueck spricht aber fast jeder ein paar Brocken Franzoesisch, das fuer den Alltag reicht und das ich durch das Reisen mit Raphael und Sandra (mittlerweile kenne ich die Namen;) ) schon gewohnt bin.

Die Route, Etappe 1: Tetouan

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Unsere erste Etappe auf dem neuen Kontinent verlief recht unspektakulaer und vergleichsweise angenehm flach, sodass wir – hier noch zu viert- nach 2 Tagen in Tetouan ankamen. Dank einer sehr nuetzlichen Internetseite, von der Efe zufaellig gehoert hat, auf der fuer jede Stadt in Marokko die guenstigsten Hotels verzeichnet sind, fanden  wir schnell eine schoene Unterkunft mitten in der Fussgaengerzone- wieder fuer schlappe 5 Euro pro Nacht.

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Tetouan war deutlich reizvoller als Tanger: sauber, offen und mit einer sehr charmanten Medina, dem alten Stadtkern. Hier konnten wir jeden Abend durch die engen Gassen schlendern, uns die Staende anschauen und die angebotenen Fruechte, Backwaren und marokkanischen Koestlicheiten probieren. Efe fand es hier offenbar so reizvoll, dass er beschloss noch ein paar Tage laenger zu bleiben und danach den Bus nach Chefchaouen zu nehmen- er wusste wohl, weshalb…

Etappe 2, Chefchaouen

Auf dem Weg zu unserem  naechsten Ziel kamen wir dann zum ersten Mal richtig mit den Bergen des Rif Gebirges in Beruehrung. Doch nicht nur deshalb haben wir uns hier deutlich schwerer getan: stolze 4 Tage haben wir uns mit den knappen 100 Km beschaeftigt. Einen Tag lang musste Raphael seine Erkaeltung auskurieren, am anderen Tag machte heftiger Wind eine Weiterfahrt nach 9 Km unmoeglich und wieder an einem anderen Tag war „Id“, das hoechste religioese Fest im Islam. Diesen Tag haben wir in einem Dorf verbracht, um etwas von dieser Tradition mitzuerleben. Da es sich bei „Id“ um ein Opferfest handelt, schlachtet jede Familie -sofern sie es sich leisten kann- ein Lamm, das anschliessend gegessen wird. Als Gaeste durften wir neben dem Fleisch sogar die Innereien probieren- es hat zwar etwas Ueberwindung gekostet, aber trotdem waren wir fuer diese Geste der Gastfreundschaft sehr dankbar. Nach dem Essen gab es dann noch eine Arabisch-Stunde bis zum spaeten Abend.

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In Chefchaouen selbst ging es dafuer umso schneller. Da die kleine Stadt recht schnell gesehen und zudem touristisch ziemlich ueberlaufen ist, hielten wiruns nur 2 Tage dort auf. Hier habe ich uebrigens meine bisher guenstigsten Hotel-Naechte verbracht: Da das Hotel keine Einzelzimmer hatte, einigten wir uns mit dem Besizter darauf, dass ich im Salon auf dem Sofa schlafe- fuer 3 Euro pro Nacht.

Etappe 3, Fes

Der Weg nach Fes war gepraegt von Kontrasten: einerseits eine Strecke, die durch fast ununterbroches bergauf und bergab fahren schnell an den Kraeften und Nerven zerrte und andererseits die marokkanische Gastfreundschaft, die alle Strapazen vergessen liess.

So kamen wir zwar kaum einen Tag mehr als 40 Km voran, durften aber bei 3 Familien uebernachten und zahlreiche GlaeserTee unterwegs trinken. So lud uns Mohammed, ein Schreiner, mit seinen 6 Kindern ein bei ihm zu Hause zu uebernachten. Da seine Frau mit 2 Kindern ueber die Feiertage bei der Grossmutter war, kochten wir an diesem Abend eine grosse Portion von unserem Reis mit Tomatensosse fuer alle.

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2 Tage spaeter hatten wir schon unsere Zelte aufgestellt, als uns ein marokkanischer Bauer sein Haus zum Schlafen anbot. Da es schon zu spaet war alles wieder einzupacken, versprachen wir am naechsten Morgen zum Tee vorbeizukommen. Als wir uns so lange festgequatscht hatten, dass das Mittagessen fertig war und man uns partout nicht gehen lassen wollte, ohne mit der Familie zusammen gegessen zu haben, liessen wir uns schliesslich dazu ueberreden, ueber Nacht  zu bleiben und erst am naechsten Morgen weiterzufahren. So konnte uns Boubka seinen Hof, seine Tiere und seine Felder zeigen und es war wirklich interessant zu sehen, wie seine Familie,so wie fast alle Menschen auf dem Land hier, weitgehend unabhaengig alles selbst herstellen, was sie zum Leben brauchen. Getreide, Gemuese und Oliven kommen von den Feldern, die mit Eselgespannen bestellt werden, Milch von den 4 Kuehen, Eier von den Huehnern, die frei auf und um den Hof herum laufen und Fleisch von den Schafen; selbst einen eigenen Bienenstock gab es, um Honig herzustellen. Diesen durften wir am naechsten Morgen zusammen mit Eiern, Milch und selbstgebackenem Brot geniessen- so wuerde ich am liebsten jeden Tag fruehstucken! Der Abschied fiel bei so viel Herzlichkeit schon nach einem Tag schwer…

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Nun befinde ich mich also in Fes, der bisher groessten und aeltesten Stadt auf unserer bisherigen Route. Was letzteres angeht, wird das auch so bleiben, denn Fes ist die aelteste Stadt Marokkos; was die Groesse der Medina betrifft kann ich mir jetzt schon kaum vorstellen, dass es noch groesser geht: 14 Eingangstore, 350 Viertel, 40 Km an Gassen uns Straesschen, eine wie die andere…um sich dazu verlaufen braucht man nicht unbedingt einen schlechten Orientierungssinn wie ich!

Aber vielleicht haben wir in den naechsten Tagen doch noch Gelegenheit uns zurechtzufinden, denn seitdem wir in Fes angekommen sind, hat es fast ununterbrochen geregnet, weshalb air unsere Abfahrt nun schon zum zweiten Mal herausgeschoben haben- irgendwie Ironie, dass ich in 20 Tagen Afrika mehr Regen hatte als in 2 Monaten Europa. Laut Wetterbericht soll es erst ab Freitag wirklich besser werden, sodass wir vielleicht noch laenger bleiben. Das waere nicht nur wegen der Groesse der Stadt, sondern auch wegen unserer Unterkunft kein Problem. Diesmal haben wir naemlich kein Hotel, sondern eine Pension gefunden fuer den gewohnten Preis; mitten in der Medina und mit eigener Dusche und Toilette auf dem Zimmer- das gab’s noch nie! Aber noch sind wir optimistisch, dass es morgen klappen koennte; „inschalah“, sagt da der Araber so Gott will“…

Ob nun morgen, uebermorgen oder am Ende mit dem Bus: Als naechstes wollen air Richtung Westen nach Meknes und weiter nach Rabat, der Hauptstadt. Hier muessen wir unsere Visa fuer Mauretanien beantragen und nach einer Verlaengerung unseres bestehenden fragen- bei unserem derzeitigen Reisetempo ist es naemlich nicht abzusehen, dass wir innerhalb der 3 Monate, die uns als Touristen zustehen, in Mauretanien sind. Sollte das mit der Verlaengerung nicht klappen, bleibt im Notfall immernoch der Bus…Was am Ende dabei herausgekommen ist, werde ich wohl hoffentlich beim naechsten Bericht wissen.

Bis dahin schicke ich euch schoene Gruesse aus dem verregneten Marokko ins verschneite Deutschland und erinnere mich daran, dass alles relativ ist…

euer Sascha



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