Andere Laender – andere Sitten

30 11 2010

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Das Wichtigste in aller Kuerze: Seit 2 Tagen befinde ich mich in Fes, einer Grossstadt im noerdlichen Marokko. Ich bin nach wie vor mit dem franzoesischen Ehepaar zusammen, das ich in Tanger getroffen habe; der vierte von uns, Efe, ist unterwegs in einer Stadt haengengeblieben.  Seit meinem letzten Eintrag haben wir das Rif-Gebirge durchquert und 3 weitere Staedte besucht, in denen wir jeweils ein paar Tage geblieben sind: Tetouan, Chefchaouen und nun Fes. Zurzeit haelt uns das schlechte Wetter von der Weiterfahrt ab; eigentlich wollten wir schon heute abreisen.

Es ist nun genau 20 Tage her, dass ich meinen ersten Bericht aus Marokko geschrieben habe. In dieser Zeit habe ich so viel Pfefferminztee wie noch nie in meinem Leben getrunken, war kein einziges Mal in einem Supermarkt einkaufen, musste einsehen, dass es auch in Afrika einen Winter und schlechtes Wetter gibt, habe haeufiger in Hotels oder bei netten Menschen zu Haude uebernachtet- und bin so wenig Fahrrad gefahren wie noch nie. Kurzum: hier in Afrika steht das Reisen im Vordergund; und der Sport im Hintergrund. Das liegt zum einen an dem Zustand der marokkanischen Strassen; vor allem aber liegt es daran, dass sich das Leben hier so sehr von dem in Deutschland unterscheidet. Es existiert einfach eine voellig andere Kultur, die sich vor allem in der Religion (und der Art wie diese befolgt wird) von der in Europa unterscheidet.

Ein Zeichen dessen, die Verschleierung der Frauen, ist ja nun mittlerweile auch in Deutschland kein ungewohnter Anblick mehr. Daneben gibt es aber auch vieles, das neu ist und an das man sich z.T. erst gewoehnen muss. So geht die Ungleichbehandlung von Mann und Frau weit ueber das Kopftuch hinaus, sodass Frauen z.B. nur sehr selten mit Maennern zusammen essen- in Restaurants und Cafes sind daher fast ausschliesslich Maennergesellschaften zu sehen. Auch habe ich noch keine Frau gesehen, die raucht; fuer Maenner gitlt das Gegenteil. Der Feiertag ist im Islam der Dienstag- Sonntag ist normaler Arbeitstag. Alkohol ist durch die  Religion streng untersagt und gibt es daher auch in keiner Form zu kaufen, weder in Cafes, noch in Restaurants; Bars gibt es daher eh nicht. Dafuer wird umso mehr geraucht, sodass ich den Eindruck habe, dass das Rauchen das Trinken weitgehend ersetzt hat. Die linke Hand gilt im Islam als unrein und ist daher beim Essen tabu- genauso wie Schweinefleisch uebrigens, das ebenso kein Thema ist wie Alkohol.

Aber nicht nur die Religion ist eine andere, sondern die ganze Mentalitaet der Menschen. Diese unterscheidet sich von der in Europa vor allem in der Offenheit, Herzlichkeit, Neugier und der ueberwaeltigenden Gastfreundschaft; diese Unterschiede merkt man als Fahrradreisender ganz besonders. Kaum jemand, der nicht winkt, hupt oder ruft, wenn wir mit unseren Raedern vorbeifahren. Kinder laufen oft am STrassenrand mit, und freuen sich, wenn wir anhalten und sie unsere Raeder genauer begutachten zulassen. Haeufig werden wir auch eingeladen, auf einen Tee, etwas zu essen oder eine Uebernachtung. Das Bewegende dabei ist oft, dass diese Menschen meist selbst nicht viel zum Leben haben; oft nur eine einfache Huette ohne fliessend Wasser- und trotzdem haben sie fuer einen Gast, einen Fremden, immer einen heissen Tee oder ein Stueck Brot uebrig.

Obwohl das alles neu fuer mich ist, werde ich wegen meines Aussehens nicht selten fuer einen Marokkaner, oder zumindest einen Araber gehalten. Spaetestens aber wenn jemand ein Gespraech anfangen will, das ueber „Hallo, wie geht’s“ hinausgeht, muss ich mich als Deutscher outen- wenn auch mit afrikanischen Wurzeln. Mit der Sprache selbst hapert es aber deutlich mehr als mit dem intuitiven Spanisch, da sich Arabisch schon sehr von den mir bekannten Sprachen unterscheidet. Trotzdem versuche ich mir die Worte und Phrasen, die ich von Leuten hoere, zu merken; vorgestern habe ich mir sogar ein Lautschrift-Woerterbuch gekauft. Zum Glueck spricht aber fast jeder ein paar Brocken Franzoesisch, das fuer den Alltag reicht und das ich durch das Reisen mit Raphael und Sandra (mittlerweile kenne ich die Namen;) ) schon gewohnt bin.

Die Route, Etappe 1: Tetouan

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Unsere erste Etappe auf dem neuen Kontinent verlief recht unspektakulaer und vergleichsweise angenehm flach, sodass wir – hier noch zu viert- nach 2 Tagen in Tetouan ankamen. Dank einer sehr nuetzlichen Internetseite, von der Efe zufaellig gehoert hat, auf der fuer jede Stadt in Marokko die guenstigsten Hotels verzeichnet sind, fanden  wir schnell eine schoene Unterkunft mitten in der Fussgaengerzone- wieder fuer schlappe 5 Euro pro Nacht.

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Tetouan war deutlich reizvoller als Tanger: sauber, offen und mit einer sehr charmanten Medina, dem alten Stadtkern. Hier konnten wir jeden Abend durch die engen Gassen schlendern, uns die Staende anschauen und die angebotenen Fruechte, Backwaren und marokkanischen Koestlicheiten probieren. Efe fand es hier offenbar so reizvoll, dass er beschloss noch ein paar Tage laenger zu bleiben und danach den Bus nach Chefchaouen zu nehmen- er wusste wohl, weshalb…

Etappe 2, Chefchaouen

Auf dem Weg zu unserem  naechsten Ziel kamen wir dann zum ersten Mal richtig mit den Bergen des Rif Gebirges in Beruehrung. Doch nicht nur deshalb haben wir uns hier deutlich schwerer getan: stolze 4 Tage haben wir uns mit den knappen 100 Km beschaeftigt. Einen Tag lang musste Raphael seine Erkaeltung auskurieren, am anderen Tag machte heftiger Wind eine Weiterfahrt nach 9 Km unmoeglich und wieder an einem anderen Tag war „Id“, das hoechste religioese Fest im Islam. Diesen Tag haben wir in einem Dorf verbracht, um etwas von dieser Tradition mitzuerleben. Da es sich bei „Id“ um ein Opferfest handelt, schlachtet jede Familie -sofern sie es sich leisten kann- ein Lamm, das anschliessend gegessen wird. Als Gaeste durften wir neben dem Fleisch sogar die Innereien probieren- es hat zwar etwas Ueberwindung gekostet, aber trotdem waren wir fuer diese Geste der Gastfreundschaft sehr dankbar. Nach dem Essen gab es dann noch eine Arabisch-Stunde bis zum spaeten Abend.

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In Chefchaouen selbst ging es dafuer umso schneller. Da die kleine Stadt recht schnell gesehen und zudem touristisch ziemlich ueberlaufen ist, hielten wiruns nur 2 Tage dort auf. Hier habe ich uebrigens meine bisher guenstigsten Hotel-Naechte verbracht: Da das Hotel keine Einzelzimmer hatte, einigten wir uns mit dem Besizter darauf, dass ich im Salon auf dem Sofa schlafe- fuer 3 Euro pro Nacht.

Etappe 3, Fes

Der Weg nach Fes war gepraegt von Kontrasten: einerseits eine Strecke, die durch fast ununterbroches bergauf und bergab fahren schnell an den Kraeften und Nerven zerrte und andererseits die marokkanische Gastfreundschaft, die alle Strapazen vergessen liess.

So kamen wir zwar kaum einen Tag mehr als 40 Km voran, durften aber bei 3 Familien uebernachten und zahlreiche GlaeserTee unterwegs trinken. So lud uns Mohammed, ein Schreiner, mit seinen 6 Kindern ein bei ihm zu Hause zu uebernachten. Da seine Frau mit 2 Kindern ueber die Feiertage bei der Grossmutter war, kochten wir an diesem Abend eine grosse Portion von unserem Reis mit Tomatensosse fuer alle.

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2 Tage spaeter hatten wir schon unsere Zelte aufgestellt, als uns ein marokkanischer Bauer sein Haus zum Schlafen anbot. Da es schon zu spaet war alles wieder einzupacken, versprachen wir am naechsten Morgen zum Tee vorbeizukommen. Als wir uns so lange festgequatscht hatten, dass das Mittagessen fertig war und man uns partout nicht gehen lassen wollte, ohne mit der Familie zusammen gegessen zu haben, liessen wir uns schliesslich dazu ueberreden, ueber Nacht  zu bleiben und erst am naechsten Morgen weiterzufahren. So konnte uns Boubka seinen Hof, seine Tiere und seine Felder zeigen und es war wirklich interessant zu sehen, wie seine Familie,so wie fast alle Menschen auf dem Land hier, weitgehend unabhaengig alles selbst herstellen, was sie zum Leben brauchen. Getreide, Gemuese und Oliven kommen von den Feldern, die mit Eselgespannen bestellt werden, Milch von den 4 Kuehen, Eier von den Huehnern, die frei auf und um den Hof herum laufen und Fleisch von den Schafen; selbst einen eigenen Bienenstock gab es, um Honig herzustellen. Diesen durften wir am naechsten Morgen zusammen mit Eiern, Milch und selbstgebackenem Brot geniessen- so wuerde ich am liebsten jeden Tag fruehstucken! Der Abschied fiel bei so viel Herzlichkeit schon nach einem Tag schwer…

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Nun befinde ich mich also in Fes, der bisher groessten und aeltesten Stadt auf unserer bisherigen Route. Was letzteres angeht, wird das auch so bleiben, denn Fes ist die aelteste Stadt Marokkos; was die Groesse der Medina betrifft kann ich mir jetzt schon kaum vorstellen, dass es noch groesser geht: 14 Eingangstore, 350 Viertel, 40 Km an Gassen uns Straesschen, eine wie die andere…um sich dazu verlaufen braucht man nicht unbedingt einen schlechten Orientierungssinn wie ich!

Aber vielleicht haben wir in den naechsten Tagen doch noch Gelegenheit uns zurechtzufinden, denn seitdem wir in Fes angekommen sind, hat es fast ununterbrochen geregnet, weshalb air unsere Abfahrt nun schon zum zweiten Mal herausgeschoben haben- irgendwie Ironie, dass ich in 20 Tagen Afrika mehr Regen hatte als in 2 Monaten Europa. Laut Wetterbericht soll es erst ab Freitag wirklich besser werden, sodass wir vielleicht noch laenger bleiben. Das waere nicht nur wegen der Groesse der Stadt, sondern auch wegen unserer Unterkunft kein Problem. Diesmal haben wir naemlich kein Hotel, sondern eine Pension gefunden fuer den gewohnten Preis; mitten in der Medina und mit eigener Dusche und Toilette auf dem Zimmer- das gab’s noch nie! Aber noch sind wir optimistisch, dass es morgen klappen koennte; „inschalah“, sagt da der Araber so Gott will“…

Ob nun morgen, uebermorgen oder am Ende mit dem Bus: Als naechstes wollen air Richtung Westen nach Meknes und weiter nach Rabat, der Hauptstadt. Hier muessen wir unsere Visa fuer Mauretanien beantragen und nach einer Verlaengerung unseres bestehenden fragen- bei unserem derzeitigen Reisetempo ist es naemlich nicht abzusehen, dass wir innerhalb der 3 Monate, die uns als Touristen zustehen, in Mauretanien sind. Sollte das mit der Verlaengerung nicht klappen, bleibt im Notfall immernoch der Bus…Was am Ende dabei herausgekommen ist, werde ich wohl hoffentlich beim naechsten Bericht wissen.

Bis dahin schicke ich euch schoene Gruesse aus dem verregneten Marokko ins verschneite Deutschland und erinnere mich daran, dass alles relativ ist…

euer Sascha



Tschuess Europa- Hallo Afrika!

10 11 2010

Salam aleikoum aus Marokko,

es ist soweit!  Nach ueber 2 Monaten und genau 3868 Km bin ich vorgestern in Afrika angekommen. Seitdem habe ich mich kaum vom Fleck bewegt, sodass ich immernoch in Tanger an der Nordspitze Marokkos bin. Dafuer war die Zeit seit der Ueberfahrt recht turbulent und hat einige Veraenderungen mit sich gebracht, von denen ich euch gerne erzaehlen will. Zunaechst aber, wie immer, die Ereignisse der Reihe nach.

Die letzten Tage in Europa

Insgesamt muss ich sagen, dass die Costa del Sol mit Abstand am schlechtesten zu fahren war von allen Kuestenabschnitten, die ich bis jetzt kennengelernt habe. Landschaftlich  blieb es zwar aehnlich reizvoll wie die Tage zuvor, aber zugebaute Straende, die das Zelten oft unmoeglich machten und etliche Kilometer auf der Schnellstrasse stellten meine Geduld das ein ums andere Mal auf die Probe.

Nachdem ich den letzten Bericht vor 10 Tagen geschrieben hatte, ging es erste einmal mit einer Zwangspause  und einer unruhigen Nacht weiter, die ich einem starken Wind mit teilweise heftigen Windboen zu verdanken hatte.

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Aber das Zelt hat Stand gehalten und ich habe den Tag genutzt, um mich ein wenig auszuruhen- von daher halb so schlimm.

Die folgenden Tage habe ich mich durch endlose Reihen von andalusischen Gewaechshaeusern geschlengelt, die teilweise an den unmoeglichsten Orten standen und das ein-oder andere Landschaftsbild zerstoert haben. Dafuer gab es ein paar schoene Ausblicke auf die schneebededckten Huegel der Sierra Nevada- ganz ohne Gewaechshaeuser.

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Was Staedte oder sonstige Sehenswuedrigkeiten angeht, war die Zeit eher entbehrlich. In Malaga gab es viele Luxushaeuser und teuere Geschaefte zu sehen,  ansonsten aber  nicht viel ausser der ueblichen Hotel- und Apartmentansammlungen; Marbella habe ich auf der zweispurigen Schnellstrasse gleich ganz umfahren. Zu der gab es, wie gesagt, eigentlich nie eine Alternative oder auch nur einen Streifen fuer Fahrradfahrer; dafuer war sie aber auch nicht verboten fuer diese, sodass mir diesmal eine Begegnung mit der Polizei erspart blieb.

Einmal abseits von der Strasse habe ich dann folgendes Zeugnis ausgefeilter Beschilderungstechnik bestaunen duerfen, das ich euch nicht vorenthalten will:

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Auf den ersten Blick sieht es aus, wie ein ganz normales Schild: „Achtung, in 150 m muss man anhalten“- aber was bedeutet das eigentlich?? Das wiederm erschliesst sich einem erst auf den zweiten Blick, wenn man sieht, was dahintersteckt:

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AHA! Nicht einfach abbremsen- Nein, schoen Schritt fuer Schritt, und damit nichts schiefgehen kann gibt es eine detaillierte Anleitung. In Deutschland wuerde man sich ueber den Schilderwald beschweren, aber hier weiss wenigstens jeder, was zu tun ist. Ich finde, das sollte man an jedem Stoppschild so machen.

Nach etwa 3700 Kilometern hatte ich dann meinen 2. Platten bisher (von dem ersten habe ich vergessen zu schreiben…). Dank Flickzeug war die Panne aber kein Problem und es konnte schnell wieder weitergehen- Somit hatte ich erst vorne und jetzt hinten einen Plattfuss; nicht schlecht fuer fast 4000 Kilometer finde ich.

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Dass es nichts zu sehen gab, stimmt nicht ganz, auch wenn das fuer Spanien eigentlich nicht zaehlt: Einen Tag vor der Ueberfahrt habe ich mir die englische Enklave Gibraltar mit ihrem beruehmten Felsen angeschaut, auf dem die ebenso beruehmten Berberaffen leben. Gibraltrar ist wirklich ein vollwertiges Stueck England mit allem, was dazugehoert: englische Nummernschilder, englische Polizei mit der typischen Uniform, englische Doppeldeckerbusse und englische Fish n Chips- natuerlich zu englischen Preisen, alles also wie auf der Insel…Aber… Da fehlt doch irgendetwas… etwas, das durch und durch englisch ist und England eindeutig von der spanischen Costa del Sol unterscheidet: Das schlechte Wetter!  Und auch das war typisch englisch, denn die ganze Zeit ueber hing mitten im blauen andalusischen Himmel eine einzelne, dicke, grosse Wolke ueber dem Felsen von Gibraltar, die gleich nach Uebertreten der Grenze fuer kaltes, windiges Wetter sorgte.

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Ich finde, es sieht fast so aus, als wollte die Wolke das Stueck englischen Boden vor jeglichem spanischen Einfluss beschuetzen; hinter der Grenze war das Wetter dann wieder perfekt und ich konnte meine Jacke  ausziehen. Die Affen habe ich uebrigens nicht gesehen- dafuer war es zu spaet und der Berg zu steil. Aber trotzdem beweist folgendes Foto, dass ich auf meinem Weg nach Afrika in England war, was nach Luxembourg, Frankreich, Spanien und jetzt Marokko Land Nummer 5 auf meinem Weg ist.

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Die ersten Tage in Afrika

Am Samstag war es dann schliesslich soweit: Nachdem ich mir am Hafen von Algeciras fuer 45 Euro ein Ticket gekauft hatte, ging es innerhalb von etwa einer Stunde mit der Faehre raus aus Europa und rein nach Afrika. Genauer gesagt nach Tanger, dem „Tor nach Afrika“- zumindest dachte ich, dass ich dort ankomme… Seit dieser Schifffahrt weiss ich uebrigens auch, dass es im Mittelmeer Delpfine gibt- die sprangen naemlich ploetzlich neben dem Schiff aus dem Wasser; leider zu schnell fuer meine Kamera.

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Als ich aus der Faehre aussteige und auf die Strasse fahre, steht vor mir die erste boese Ueberraschung in Form eines Schildes: „Tanger 45 Km“.  „Wieso denn das??“,  frage ich mich- schliesslich habe ich die Faehre nach Tanger genommen und bin davon ausgegangen, auch dort anzukommen; zumal auf meiner Karte ebendiese Verbindung eingetragen war. Aber es nuetzte ja nichts, also habe ich mich auf den Weg in die Stadt gemacht- Unterwegs habe ich dann schon gespuert, dass ich waehrend der letzten Stunde  mehr als nur die Strasse von Gibraltar durchquert habe, nicht nur wegen der Strassenverhaeltnissen,die eindeutig mehr Geduld erfordern, als die Costa del Sol.

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Allerdings habe ich mir das Ganze anders vorgestellt: Ich dachte, ich steige aus der Faehre aus, ziehe mir Geld, gehe einkaufen und suche mir spaeter einen Schlafplatz. Aus diesem Grund hatte ich in Spanien mein letztes Bargeld ausgegeben um, schlau wie ich war, nicht zu einem schlechten Kurs wechseln zu muessen. Ausserdem hatte ich eben nichts mehr zu essen und da es Abend und somit bald dunkel wurde, musste ich das erste Mal auf der Tour meine Lampen und Reflektoren auspacken und in die Stadt fahren. Dort angekommen habe ich mich ersteinmal Geld gezogen, mich in ein kleines marokkanisches Restaurant gesetzt, ne Pizza und ne Cola bestellt und hatte damit ein Problem weniger. Trotzdem wusste ich nicht, wo ich schlafen sollte-   zur Zeltplatzsuche war es zu spaet, Campingplatz war geschlossen, Jugendherberge gibt es keine.

In dieser Situation habe gleich das erste Mal die marokkanische Gastfreundschaft kennengelernt: Der Kellner, der etwas Franzoesisch sprach, war-selbst nie ausserhalb von Tanger gewesen-  von meiner Tour so beeindruckt, dass er jedem davon erzaehlte, der es wissen wollte oder nicht. Wenn nichts zu tun war, hat er sich zu mir gesetzt; hier macht er sich gerade ein Bild davon, was man in Deutschland so fuer Musik hoert- Awaiting Crunch natuerlich;) Das kommt auch in Marokko gut an!

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So wurde ich erst von 2 Marokkanern am Nachbartisch eingeladen, ihre Pizza mit ihnen zu teilen, bevor sie mein Essen gleich mitezahlt haben. Danach hat mir ein anderer Mann einfach 50 Dirham (ca. 5 €) in die Hand gedrueckt, um mir was zu essen zu kaufen- dass ich schon eineinhalb Pizzen hatte, interessierte ihn ziemlich wenig. Schliesslich wurde mir angeboten, die Nacht in dem Raestaurant zu bleiben. Das ist desshalb kein Problem, weil fast  jedes Restaurant einen eigenen „guard“ hat, der die ganze Nacht aufpasst , dass nichts passiert. Man hat mir sogar angeboten, mein Zelt aufzubauen- ich habe aber die Stuehle bevorzugt.

Am naechsten Tag wollte ich mir ein wenig die Stadt ansehen, bevor ich weiterfahre. Dabei habe ich 2 andere Radreisende getroffen, die aehnlich bepackt waren wie ich. Es war ein franzoesisches Ehepaar, das gerade mit der Faehre aus Spanien gekommen ist. Bei einem Tee haben sie mir erzaehlt, dass sie vor 4 Monaten in Frankreich losgefahren sind, und sich seitdem ausgiebig Spanien angeschaut haben. Ihr Haus haben sie verkauft, ihre Jobs gekuendigt und wollen nun die Welt bereisen. Er ist 38, sie 36; ihre richtigen Namen haben sie mir zwar gesagt, ich habe sie aber vergessen, weil sie sich nur beim Spitznamen „Karlitot“ und „Karlita“ rufen.

Die beiden haben eine andere Art des Reisens als ich, da sie sich sehr viel Zeit nehmen, um alles zu sehen, was sie interessiert; immerhin sindsie auch genau 4000 Km gefqhren- aber nicht in 5;) sondern in 2 Laendern. Wenn es ihnen gefaellt, bleiben sie auch ein paar Tage irgendwo. Im Gegensatz dazu bin ich bis jetzt eher an allem vorbeigerauscht. Aber ich wollte nach Afrika kommen- und da bin ich nun. Hier hoert die konkrete Planung auf, wie ich in meinem ersten Bericht geschrieben habe. Und da ich ihre Art des Reisens interessant finde und die beiden sehr sympatisch sind, sodass wir uns sofort gut verstanden haben, haben wir beschlossen, die naechste Zeit zusammen zu reisen; beziehungsweise erst einmal zusammen nicht zu reisen, sondern uns ein paar Tage Tanger anzusehen. Also haben wir ein guenstiges Hotel genommen, unsere Sachen weggebracht und sind in die Stadt zum Essen gegangen.

Wie es das Schicksal wollte, haben wir auf dem Weg dahin einen weiteren Radreisenden getroffen- und seine Art des Reisens unterscheidet sich noch mehr von meiner bisherigen, auch wenn es ueberraschend viele Gemeinsamkeiten gibt: Effe kommt aus London, ist nur 4 Tage nach mir losgefahren, hat auch 10 Tage in der Beaujolais gearbeitet und hatte in Suedfrankreich und Spanien eine aehnliche Route wie ich. Der Unterschied ist, dass er fast schon sein ganzes Leben lang gereist ist. Er ist vor 5 Tagen unterwegs 30 geworden, kommt urspruenglich aus Nigeria, kam mit 14 nach Oesterreich fuer 2 Jahre, bevor er nach England zog. Mit gut 20 Jahren ist er nach Asien gereist, um fuer 5 Jahre in Thailand, China und Vietnam zu leben. Dementsprechend viel hat er zu erzahlen und es ist einfach faszinierend ihm bei seinen Geschichten zuzuhoeren. Jetzt ist er wieder auf dem Weg nach Nigeria, um seine Mutter zu besuchen. Auch er kam an diesem Tag aus Spanien nach Tanger, wo er gerade auf der Suche nach einem guenstigen Hotel war- welch ein Glueck, dass wir ihm da etwas empfehlen konnten. Somit haben wir nun zu viert die Tage hier in Tanger verbracht.

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In dieser Zeit habe ich gemerkt, dass ich tatsaechlich auf einem anderen Kontinent angekommen bin- fast alles scheint hier anders zu sein.Zuerst andere Waeherung: hier zahlt man mit Dirham, der Kurs liegt grob bei 1:10. Bei den Preisen scheint dieser Faktor aber kaum zu existieren; im Restaurant kann man einen vollen Teller mit Getraenk fuer weniger als 3€ bekommen, das Hotelzimmer kostet gerade einmal 5€ pro Nacht. Alles ist guenstig, aber das liegt eben daran, dass hier kaum jemand Geld zum Ausgeben hat- die Armut ist wahrscheinlich der deutlichste Unterschied zu Europa. Uerberall bitten uns Menschen nach Geld, auf der Strasse bekommt man Sachen zugesteckt, die man dann bezahlen soll und oft wird einem „Hilfe“ angeboten, fuer die dann die Hand aufgehalten wird- manchmal schon nach einem einfachen Gespraech. Der Verkehr, den ich direkt nach der Ueberfahrt kennen lernen durfte, scheint da nur eine Nebensache; wobei hier offenbar jeder faehrt, wie er will und man gut aufpassen muss, weil es sonst keiner macht.  Supermaerkte gibt es hier so gut wie nicht. Eingekauft wird auf dem grossen Markt, der jeden Tag stattfindet und auf dem von frischem Obst und Gemuese, Gewuerzen ueber Fisch und ganzen Schweinehaelften, die hier einfach offen aushaengen, alles angeboten wird. Zu guter Letzt ist es eine andere Zeitzone: hier ticken die Uhren eine Stunde frueher als zur europaeischen Winterzeit. Viele Dinge also, die es kennen- und neu zu erlernen gibt.

Morgen wollen wir dann schliesslich wieder aufbrechen. Die Tage hier waren voller neuer Eindruecke, aber langsam wollen wir doch weiter, auch weil es seit unserer Ankunft morgen zum ersten Mal gutes Wetter werden soll- bisher hatten wir oefter Regen; es ist also doch nur fast alles anders. Wohin es gehen soll steht aber noch nicht genau fest und duerfte heute Abend nochmal Thema werden. Karlito und Karlita wollten naemlich eigentlich nach Osten und dann durchs Land an die Kueste, waehrend Effe und ich eher den direkten Weg entlang der Atlantikkueste bevorzugen (noch ein Unterschied- ein neues Meer); aber wir werden schon einen Weg finden;)

Wohin die Reise nun weitergeht, erfahrt ihr dann beim naechsten Bericht.

Bis dahin viele Gruesse aus Marokko,

euer Sascha

*Update*

Mittlerweile habe ich erfahren, warum ich nicht in Tanger, sondern 45 Km ausserhalb angekommen bin: Weil das Verkehrsaufkommen fuer den Hafen in Tanger zu gross wurde, kommen die Faehren aus Algeciras seit wenigen Monaten nicht mehr in der Stadt selbst, sondern  eben an einem ausegalgertem Hafen an- der „Tanger Mediterran“ heisst  …Toll! Diese Aenderung war leider etwas zu neu fuer mich und meine Karte. Beim naechsten Mal weiss ich es besser.