Tschuess Europa- Hallo Afrika!

10 11 2010

Salam aleikoum aus Marokko,

es ist soweit!  Nach ueber 2 Monaten und genau 3868 Km bin ich vorgestern in Afrika angekommen. Seitdem habe ich mich kaum vom Fleck bewegt, sodass ich immernoch in Tanger an der Nordspitze Marokkos bin. Dafuer war die Zeit seit der Ueberfahrt recht turbulent und hat einige Veraenderungen mit sich gebracht, von denen ich euch gerne erzaehlen will. Zunaechst aber, wie immer, die Ereignisse der Reihe nach.

Die letzten Tage in Europa

Insgesamt muss ich sagen, dass die Costa del Sol mit Abstand am schlechtesten zu fahren war von allen Kuestenabschnitten, die ich bis jetzt kennengelernt habe. Landschaftlich  blieb es zwar aehnlich reizvoll wie die Tage zuvor, aber zugebaute Straende, die das Zelten oft unmoeglich machten und etliche Kilometer auf der Schnellstrasse stellten meine Geduld das ein ums andere Mal auf die Probe.

Nachdem ich den letzten Bericht vor 10 Tagen geschrieben hatte, ging es erste einmal mit einer Zwangspause  und einer unruhigen Nacht weiter, die ich einem starken Wind mit teilweise heftigen Windboen zu verdanken hatte.

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Aber das Zelt hat Stand gehalten und ich habe den Tag genutzt, um mich ein wenig auszuruhen- von daher halb so schlimm.

Die folgenden Tage habe ich mich durch endlose Reihen von andalusischen Gewaechshaeusern geschlengelt, die teilweise an den unmoeglichsten Orten standen und das ein-oder andere Landschaftsbild zerstoert haben. Dafuer gab es ein paar schoene Ausblicke auf die schneebededckten Huegel der Sierra Nevada- ganz ohne Gewaechshaeuser.

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Was Staedte oder sonstige Sehenswuedrigkeiten angeht, war die Zeit eher entbehrlich. In Malaga gab es viele Luxushaeuser und teuere Geschaefte zu sehen,  ansonsten aber  nicht viel ausser der ueblichen Hotel- und Apartmentansammlungen; Marbella habe ich auf der zweispurigen Schnellstrasse gleich ganz umfahren. Zu der gab es, wie gesagt, eigentlich nie eine Alternative oder auch nur einen Streifen fuer Fahrradfahrer; dafuer war sie aber auch nicht verboten fuer diese, sodass mir diesmal eine Begegnung mit der Polizei erspart blieb.

Einmal abseits von der Strasse habe ich dann folgendes Zeugnis ausgefeilter Beschilderungstechnik bestaunen duerfen, das ich euch nicht vorenthalten will:

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Auf den ersten Blick sieht es aus, wie ein ganz normales Schild: „Achtung, in 150 m muss man anhalten“- aber was bedeutet das eigentlich?? Das wiederm erschliesst sich einem erst auf den zweiten Blick, wenn man sieht, was dahintersteckt:

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AHA! Nicht einfach abbremsen- Nein, schoen Schritt fuer Schritt, und damit nichts schiefgehen kann gibt es eine detaillierte Anleitung. In Deutschland wuerde man sich ueber den Schilderwald beschweren, aber hier weiss wenigstens jeder, was zu tun ist. Ich finde, das sollte man an jedem Stoppschild so machen.

Nach etwa 3700 Kilometern hatte ich dann meinen 2. Platten bisher (von dem ersten habe ich vergessen zu schreiben…). Dank Flickzeug war die Panne aber kein Problem und es konnte schnell wieder weitergehen- Somit hatte ich erst vorne und jetzt hinten einen Plattfuss; nicht schlecht fuer fast 4000 Kilometer finde ich.

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Dass es nichts zu sehen gab, stimmt nicht ganz, auch wenn das fuer Spanien eigentlich nicht zaehlt: Einen Tag vor der Ueberfahrt habe ich mir die englische Enklave Gibraltar mit ihrem beruehmten Felsen angeschaut, auf dem die ebenso beruehmten Berberaffen leben. Gibraltrar ist wirklich ein vollwertiges Stueck England mit allem, was dazugehoert: englische Nummernschilder, englische Polizei mit der typischen Uniform, englische Doppeldeckerbusse und englische Fish n Chips- natuerlich zu englischen Preisen, alles also wie auf der Insel…Aber… Da fehlt doch irgendetwas… etwas, das durch und durch englisch ist und England eindeutig von der spanischen Costa del Sol unterscheidet: Das schlechte Wetter!  Und auch das war typisch englisch, denn die ganze Zeit ueber hing mitten im blauen andalusischen Himmel eine einzelne, dicke, grosse Wolke ueber dem Felsen von Gibraltar, die gleich nach Uebertreten der Grenze fuer kaltes, windiges Wetter sorgte.

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Ich finde, es sieht fast so aus, als wollte die Wolke das Stueck englischen Boden vor jeglichem spanischen Einfluss beschuetzen; hinter der Grenze war das Wetter dann wieder perfekt und ich konnte meine Jacke  ausziehen. Die Affen habe ich uebrigens nicht gesehen- dafuer war es zu spaet und der Berg zu steil. Aber trotzdem beweist folgendes Foto, dass ich auf meinem Weg nach Afrika in England war, was nach Luxembourg, Frankreich, Spanien und jetzt Marokko Land Nummer 5 auf meinem Weg ist.

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Die ersten Tage in Afrika

Am Samstag war es dann schliesslich soweit: Nachdem ich mir am Hafen von Algeciras fuer 45 Euro ein Ticket gekauft hatte, ging es innerhalb von etwa einer Stunde mit der Faehre raus aus Europa und rein nach Afrika. Genauer gesagt nach Tanger, dem „Tor nach Afrika“- zumindest dachte ich, dass ich dort ankomme… Seit dieser Schifffahrt weiss ich uebrigens auch, dass es im Mittelmeer Delpfine gibt- die sprangen naemlich ploetzlich neben dem Schiff aus dem Wasser; leider zu schnell fuer meine Kamera.

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Als ich aus der Faehre aussteige und auf die Strasse fahre, steht vor mir die erste boese Ueberraschung in Form eines Schildes: „Tanger 45 Km“.  „Wieso denn das??“,  frage ich mich- schliesslich habe ich die Faehre nach Tanger genommen und bin davon ausgegangen, auch dort anzukommen; zumal auf meiner Karte ebendiese Verbindung eingetragen war. Aber es nuetzte ja nichts, also habe ich mich auf den Weg in die Stadt gemacht- Unterwegs habe ich dann schon gespuert, dass ich waehrend der letzten Stunde  mehr als nur die Strasse von Gibraltar durchquert habe, nicht nur wegen der Strassenverhaeltnissen,die eindeutig mehr Geduld erfordern, als die Costa del Sol.

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Allerdings habe ich mir das Ganze anders vorgestellt: Ich dachte, ich steige aus der Faehre aus, ziehe mir Geld, gehe einkaufen und suche mir spaeter einen Schlafplatz. Aus diesem Grund hatte ich in Spanien mein letztes Bargeld ausgegeben um, schlau wie ich war, nicht zu einem schlechten Kurs wechseln zu muessen. Ausserdem hatte ich eben nichts mehr zu essen und da es Abend und somit bald dunkel wurde, musste ich das erste Mal auf der Tour meine Lampen und Reflektoren auspacken und in die Stadt fahren. Dort angekommen habe ich mich ersteinmal Geld gezogen, mich in ein kleines marokkanisches Restaurant gesetzt, ne Pizza und ne Cola bestellt und hatte damit ein Problem weniger. Trotzdem wusste ich nicht, wo ich schlafen sollte-   zur Zeltplatzsuche war es zu spaet, Campingplatz war geschlossen, Jugendherberge gibt es keine.

In dieser Situation habe gleich das erste Mal die marokkanische Gastfreundschaft kennengelernt: Der Kellner, der etwas Franzoesisch sprach, war-selbst nie ausserhalb von Tanger gewesen-  von meiner Tour so beeindruckt, dass er jedem davon erzaehlte, der es wissen wollte oder nicht. Wenn nichts zu tun war, hat er sich zu mir gesetzt; hier macht er sich gerade ein Bild davon, was man in Deutschland so fuer Musik hoert- Awaiting Crunch natuerlich;) Das kommt auch in Marokko gut an!

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So wurde ich erst von 2 Marokkanern am Nachbartisch eingeladen, ihre Pizza mit ihnen zu teilen, bevor sie mein Essen gleich mitezahlt haben. Danach hat mir ein anderer Mann einfach 50 Dirham (ca. 5 €) in die Hand gedrueckt, um mir was zu essen zu kaufen- dass ich schon eineinhalb Pizzen hatte, interessierte ihn ziemlich wenig. Schliesslich wurde mir angeboten, die Nacht in dem Raestaurant zu bleiben. Das ist desshalb kein Problem, weil fast  jedes Restaurant einen eigenen „guard“ hat, der die ganze Nacht aufpasst , dass nichts passiert. Man hat mir sogar angeboten, mein Zelt aufzubauen- ich habe aber die Stuehle bevorzugt.

Am naechsten Tag wollte ich mir ein wenig die Stadt ansehen, bevor ich weiterfahre. Dabei habe ich 2 andere Radreisende getroffen, die aehnlich bepackt waren wie ich. Es war ein franzoesisches Ehepaar, das gerade mit der Faehre aus Spanien gekommen ist. Bei einem Tee haben sie mir erzaehlt, dass sie vor 4 Monaten in Frankreich losgefahren sind, und sich seitdem ausgiebig Spanien angeschaut haben. Ihr Haus haben sie verkauft, ihre Jobs gekuendigt und wollen nun die Welt bereisen. Er ist 38, sie 36; ihre richtigen Namen haben sie mir zwar gesagt, ich habe sie aber vergessen, weil sie sich nur beim Spitznamen „Karlitot“ und „Karlita“ rufen.

Die beiden haben eine andere Art des Reisens als ich, da sie sich sehr viel Zeit nehmen, um alles zu sehen, was sie interessiert; immerhin sindsie auch genau 4000 Km gefqhren- aber nicht in 5;) sondern in 2 Laendern. Wenn es ihnen gefaellt, bleiben sie auch ein paar Tage irgendwo. Im Gegensatz dazu bin ich bis jetzt eher an allem vorbeigerauscht. Aber ich wollte nach Afrika kommen- und da bin ich nun. Hier hoert die konkrete Planung auf, wie ich in meinem ersten Bericht geschrieben habe. Und da ich ihre Art des Reisens interessant finde und die beiden sehr sympatisch sind, sodass wir uns sofort gut verstanden haben, haben wir beschlossen, die naechste Zeit zusammen zu reisen; beziehungsweise erst einmal zusammen nicht zu reisen, sondern uns ein paar Tage Tanger anzusehen. Also haben wir ein guenstiges Hotel genommen, unsere Sachen weggebracht und sind in die Stadt zum Essen gegangen.

Wie es das Schicksal wollte, haben wir auf dem Weg dahin einen weiteren Radreisenden getroffen- und seine Art des Reisens unterscheidet sich noch mehr von meiner bisherigen, auch wenn es ueberraschend viele Gemeinsamkeiten gibt: Effe kommt aus London, ist nur 4 Tage nach mir losgefahren, hat auch 10 Tage in der Beaujolais gearbeitet und hatte in Suedfrankreich und Spanien eine aehnliche Route wie ich. Der Unterschied ist, dass er fast schon sein ganzes Leben lang gereist ist. Er ist vor 5 Tagen unterwegs 30 geworden, kommt urspruenglich aus Nigeria, kam mit 14 nach Oesterreich fuer 2 Jahre, bevor er nach England zog. Mit gut 20 Jahren ist er nach Asien gereist, um fuer 5 Jahre in Thailand, China und Vietnam zu leben. Dementsprechend viel hat er zu erzahlen und es ist einfach faszinierend ihm bei seinen Geschichten zuzuhoeren. Jetzt ist er wieder auf dem Weg nach Nigeria, um seine Mutter zu besuchen. Auch er kam an diesem Tag aus Spanien nach Tanger, wo er gerade auf der Suche nach einem guenstigen Hotel war- welch ein Glueck, dass wir ihm da etwas empfehlen konnten. Somit haben wir nun zu viert die Tage hier in Tanger verbracht.

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In dieser Zeit habe ich gemerkt, dass ich tatsaechlich auf einem anderen Kontinent angekommen bin- fast alles scheint hier anders zu sein.Zuerst andere Waeherung: hier zahlt man mit Dirham, der Kurs liegt grob bei 1:10. Bei den Preisen scheint dieser Faktor aber kaum zu existieren; im Restaurant kann man einen vollen Teller mit Getraenk fuer weniger als 3€ bekommen, das Hotelzimmer kostet gerade einmal 5€ pro Nacht. Alles ist guenstig, aber das liegt eben daran, dass hier kaum jemand Geld zum Ausgeben hat- die Armut ist wahrscheinlich der deutlichste Unterschied zu Europa. Uerberall bitten uns Menschen nach Geld, auf der Strasse bekommt man Sachen zugesteckt, die man dann bezahlen soll und oft wird einem „Hilfe“ angeboten, fuer die dann die Hand aufgehalten wird- manchmal schon nach einem einfachen Gespraech. Der Verkehr, den ich direkt nach der Ueberfahrt kennen lernen durfte, scheint da nur eine Nebensache; wobei hier offenbar jeder faehrt, wie er will und man gut aufpassen muss, weil es sonst keiner macht.  Supermaerkte gibt es hier so gut wie nicht. Eingekauft wird auf dem grossen Markt, der jeden Tag stattfindet und auf dem von frischem Obst und Gemuese, Gewuerzen ueber Fisch und ganzen Schweinehaelften, die hier einfach offen aushaengen, alles angeboten wird. Zu guter Letzt ist es eine andere Zeitzone: hier ticken die Uhren eine Stunde frueher als zur europaeischen Winterzeit. Viele Dinge also, die es kennen- und neu zu erlernen gibt.

Morgen wollen wir dann schliesslich wieder aufbrechen. Die Tage hier waren voller neuer Eindruecke, aber langsam wollen wir doch weiter, auch weil es seit unserer Ankunft morgen zum ersten Mal gutes Wetter werden soll- bisher hatten wir oefter Regen; es ist also doch nur fast alles anders. Wohin es gehen soll steht aber noch nicht genau fest und duerfte heute Abend nochmal Thema werden. Karlito und Karlita wollten naemlich eigentlich nach Osten und dann durchs Land an die Kueste, waehrend Effe und ich eher den direkten Weg entlang der Atlantikkueste bevorzugen (noch ein Unterschied- ein neues Meer); aber wir werden schon einen Weg finden;)

Wohin die Reise nun weitergeht, erfahrt ihr dann beim naechsten Bericht.

Bis dahin viele Gruesse aus Marokko,

euer Sascha

*Update*

Mittlerweile habe ich erfahren, warum ich nicht in Tanger, sondern 45 Km ausserhalb angekommen bin: Weil das Verkehrsaufkommen fuer den Hafen in Tanger zu gross wurde, kommen die Faehren aus Algeciras seit wenigen Monaten nicht mehr in der Stadt selbst, sondern  eben an einem ausegalgertem Hafen an- der „Tanger Mediterran“ heisst  …Toll! Diese Aenderung war leider etwas zu neu fuer mich und meine Karte. Beim naechsten Mal weiss ich es besser.



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2 Antworten zu “Tschuess Europa- Hallo Afrika!”

  • Abelo sagt:

    Lieber Bruder,

    wieder ein toller Bericht! Ich erzähle meinen Freunden immer über Dein Projekt. Alle finden es faszinierend 🙂

    Viele Grüße
    Abelo

  • Wolfgang Neuroth sagt:

    Hi Sascha,
    viele Grüsse aus dem verschneiten Stahlhofen von Wolfgang, Birgit und Kevin.
    Dein Reisebericht ist einfach Klasse. Wir bewundern das was Du tust und
    beneiden Dich für das was Du alles erlebst.
    Viel Glück für Deine weitere Reise und alles Gute (sagen Radfahrer eigentlich
    Hals- und Beinbruch?) und wenig Pannen mit dem Fahrrad.
    Liebe Grüsse

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