Im Sueden nichts Neues

19 01 2011

Hallo zusammen,

ich schreibe euch dieses Mal aus Dakhla, einer Stadt die gleichzeitig eine Halbinsel und deshalb das Zentrum der marokkanischen Fischereiwirtschaft ist; ausserdem ist sie die letzte Station vor der Grenze zu Mauretanien. Seit meinem letzten Blogeintrag vor nunmehr 2 Wochen  hat sich bei mir sehr wenig bis gar nichts veraendert, sodass ich eigentlich noch keinen neuen schreiben wollte. Da ich aber versprochen habe, den naechsten Artikel kuerzer zu machen, habe ich mich doch dazu durchgerungen, dem Alltag auf der Nationalstrasse 1 einen eigenen Eintrag zu widmen.

Ein ganz normaler Tag in der Wueste…

…laesst sich in nur einem Foto detailliert darstellen:

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Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Statt, wie beim letzten Eintrag, auf die einzelnen Tage einzugehen, werde ich diesmal gleich den Grossteil der Tage mit einem exemplarischen Tagesablauf beschreiben:

Der Tag beginnt gegen 8.00 Uhr, wenn die Sonne aufgeht und mich in meinem Zelt aufweckt. Als allererstes mache ich mir in Ruhe Fruehstuck, um fit zu werden; typischerweise Brot mit Marmelade und Milch, die ich aus Milchpulver und Wasser mische (was gar nicht so schlecht schmeckt, wie es sich anhoert..). Um diese Uhrzeit ist es noch richtig kalt und ich lasse meine 2 Hosen, Fleece und Pulli, mit denen ich geschlafen habe, noch an. Dann heisst es Sachen zusammenpacken, umziehen, Zelt abbauen und Fahrrad fertig machen, bevor es um etwa 10.00 Uhr auf die Strecke geht. Nach 20-30 Km mache ich die erste Pause, oft an den Klippen mit Blick auf den endlosen Atlantik, dem die Strasse fast durchgehend folgt.

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Mittlerweile steht die Sonne hoch am Himmel und brennt mit gefuehlten 30°C und mehr auf die trockene Erde; Sonnencreme, Kopfbedeckung (Helm) und ausreichend Wasser sind daher nach wie vor Pflicht. Zum Glueck, muss man da schon fast sagen, weht ein durchgehend starker Seitenwind Richtung Atlantik, sodass ich fast nie geschwitzt, aber dafuer oft genervt bin.

Mittags hoere ich zur Ablenkung meist Musik  oder ein Hoerbuch, waehrend ich die naechsten 30 Km bis zur Mittagspause zuruecklege. Bis dahin bin ich hoffentlich an wenigstens einem Café oder einer Tankstelle vorbeigekommen, um meine Flaschen aufzufuellen und Brot zu kaufen- wenn nicht, komme ich noch bis zum Mittag des naechsten Tages mit meinen Vorraeten hin, danach wirds problematisch… Ziemlich sicher passiere ich auch mindestens eine Polizeikontrolle, die hier in der Westsahara in unregelmaessigen Abstaenden folgen. Hier wird der Pass kontrolliert und die Personalien festgehalten, waehrend man den ueblichen Smalltalk mit den zumeist ebenso neugierigen wie netten Polizisten fuehrt. Die letzte Etappe des Tages  ist immer die angenehmste, da die Temperaturen nun spuerbar gesunken sind. Nach etwa 80 Km ist mein Tagwerk vollbracht und ich fange um 17.30 Uhr an, nach einem geeigneten Zeltplatz Ausschau zu halten- schliesslich versuche ich hier in der Westsahara stets an einem einigermassen sicheren Ort zu uebernachten. Diesen finde ich entweder in Form eines der unzaehligen Mobilfunkmasten, der -selbstverstaendlich- rund um die Uhr von einem einsamen Waerter bewacht wird, der einem meist bereitwillig einen Platz zeigt, beim Zeltaufbau hilft und oft auch ein Glas Tee fuer seinen „Gast“ bereit hat. Oder aber ich finde eine der vielen Fischerhuetten an der Kueste, die hier im Gegensatz zu den Mobilfunkmasten, die ich schon aus vielen Km Entfernung sehen kann, schwerer zu entdecken sind. Habe ich einen Platz gefunden, wiederholt sich die Prozedur vom Morgen in umgekehter Reihenfolge. Wenn alles klappt, kann ich mit etwas Glueck noch die Sonne ueber dem Meer versinken sehen- oft das Highlight des Tages.

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Nun wird es Zeit, meinen Spirituskocher auszupacken und mir etwas Warmes zu essen zu machen- unterwegs gibt es schliesslich nur Brot, Bananen und Orangen- aber auch hier sind die Moeglichkeiten begrenzt, da ich so gut wie keine verderbliche Nahrung mitnehmen kann. Standardgericht ist daher Reis oder Nudeln mit Tomatensosse, die ich aus Konzentrat, Wasser und Gewuerzen anruehre; bin ich in den letzten 2 Tagen in einem Ort mit Geschaeften vorbeigekommen, habe ich ausserdem etwas Gemuese, wie Zwiebeln oder Karotten, die ich anbrate und ebenfalls zur Sosse gebe. Abends lese ich oft noch ein paar Zeilen in einem meiner englischen second-hand Buecher, bevor ich gegen 22.00 Uhr einschlafe.

Dieser Tagesablauf wiederholt sich so lange, bis ich eine der wenigen groesseren Staedte erreiche, durch die „meine“ Strasse fuehrt. Seit meinem letzten Eintrag in Tan-Tan waren das genau 3: Laayoune, Boujdour und nun Dakhla. Auch wenn es in diesen Wuestenstaedten so gut wie nichts zu sehen gibt, versteht es sich von selbst, dass ich hier zumindest einen Tag und eine Nacht verbringe, um einzukaufen, ins Internet-Café zu gehen und einfach einen Kontrast zu der Routine unterwegs zu bekommen. Waehrend ich in Laayoune lediglich diese ueblichen Dinge erledigt habe und anschliessend in einer Tankstelle uebernachtet habe, hatte ich in Boujdour und hier in Dakhla wieder das Glueck auf sehr nette und gastfreundliche Menschen zu treffen, die hier nicht unerwaehnt bleiben sollen.

Boujdour

Nachdem ich in Boujdour Lebensmittel auf dem Markt eingekauft hatte (u.a. frischen Fisch), begab ich mich wie immer zur letzten Tankstelle im Ort. Es sah schon nach einem „Standard-Aufenthalt“ wie in Laayoune aus, als mich der Waerter der Tankstelle, Abdelhadi, einlaedt, mit ihm in seinem Haeusschen statt im Zelt davor zu uebernachten. Zwar sind seine Franzoesisch- durchaus mit meinen Arabischkenntnissen zu vergleichen;), aber gluecklicherweise spricht Abdula, der junge Tankstellenwart, beide Sprachen sehr gut und fungiert somit als Dolmetscher. Geboren ist Abdula in einem kleinen Ort direkt in der Wueste, von wo aus viele Touristen zu Dromedar- oder Jeeptouren in die Duenen starten (auch in meinem Fremdenfuehrer ist der Ort beschrieben). Von daher verdiente er und seine Familie auch genau damit ihr Geld- bis ihm ein Freund der Familie das Angebot machte, fuer mehr Geld in Boujdour in der Tankstelle zu arbeiten; das war vor 8 Monaten. Nun will Abdula so schnell wie moeglich wieder zurueck in seinen Heimatort; er hat seine Arbeit satt, kann aber nicht weg, bevor nicht ein Ersatz gefunden ist, da er seinem Bekannten nicht auf die Fuesse treten will…

Es war ein sehr schoener Abend zu 3. und es tat gut, mal wieder ein Gespraech zu fuehren, das ueber den ueblichen Smalltalk hinausging. Als Dankeschoen fuer ihre Gastfreundschaft, habe ich an jenem Abend die Tajine, das Nationalgericht der Marokkaner, mit dem Fisch und dem Gemuese vom Markt fuer uns alle selbst gekocht.

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Tajine kommt immer gut an- Abdula, Abdelhadi und ich vor dem Essen

Am naechsten Tag konnte ich mal wieder mich und meine Sachen waschen und mir ein wenig die kleine Stadt anschauen. Ansonsten habe ich nicht viel gemacht, ausser mich einfach auszuruhen und zu erholen. Am Abend revengierte sich Abdelhadi dann, indem diesmal er fuer uns kochte; es gab…Spaghetti mit Tomatensosse (!) -.- immerhin mit Huehnchenfleisch- dankbar und hoeflich habe ich mir natuerlich jegliches Kommentar verkniffen.

Dakhla

170 Km vor Dakhla wurde mein Fahrrad-Alltag eines Morgens von einem netten Marokkaner namens Abderahman an einer Tankstelle unverhofft unterbrochen. Ich bin gerade dabei meine Sachen zusammenzupacken, als er mich fragt, wo ich denn hin will. „Dakhla“ sage ich- welch ein Zufall, dass auch er dorthin will; die Chancen stehen immerhin 50:50.  Ob ich nicht bei ihm mitfahren will, fragt er dann. „Das geht nicht, da ich ein Fahrrad und viel Gepaeck habe“ gebe ich zurueck; Das sei kein Problem, schliesslich habe er einen Landrover. Da ich mir lebhaft vorstellen kann, wie die letzten 2 Tage bis Dakhla aussehen wuerden, brauche ich nicht lange zu ueberlegen, um mein Rad, so wie es ist, auf seine Ladeflaeche zu schaffen. Doch selbst im Auto bin ich schnell von der monotonen Landschaft gelangweilt, geniesse die Fahrt aber troztdem in vollen Zuegen.

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Abderahma und sein Landrover haben mir 2 Tage erspart

Naiv wie ich nunmal bin, habe ich mir im Vorfeld erhofft, in der Hauptstadt des Fischfangs irgendwie auf eines der zahlreichen Fischerboote zu kommen, um einmal selbst mit in See stechen zu koennen. Somit fuehrt mein erster Gang auch gleich zum Hafen. Dort folgte dann aber die Ernuechterung: Ohne „autorisation“ laeuft hier gar nichts, und die ist schwer zu bekommen. Abgeschreckt von soviel Buerokratie, begnuege ich mich damit, mir einen ganzen Tag lang das geschaeftige Treiben am Hafen anzuschauen und Zeit mit den netten Fischern hier zu verbringen; am Ende darf ich sogar doch noch mit auf’s Boot- allerdings nur fuer’s Foto.

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Bei dieser Gelegenheit lerne ich Salah kennen, einen gespraechigen Fischer und gebuertigen Sohn Dakhlas. Obwohl ich mich am Hafen ohne Fahrrad bewegt habe (von dem ich dachte, dass es meist den groessten Eindruck macht), hat er mich gleich zu sich nach Hause eingeladen- ich muesse einmal richtigen marokkanischen Fisch, zubereitet von seiner Frau, probieren. Da er aber an diesem Abend bis in die Morgenstunden arbeiten muss, verschieben wir unser Treffen auf den naechsten Tag und ich suche mir einen ruhigen Zeltplatz neben einem Warterhaeusschen am Strand. Gestern dann stellte mich Salah erst seiner Frau und seinen beiden aufgeweckten Kindern vor und zeigte mir anschliessend die Stadt und den (Fisch-) Markt. Danach gab es, wie angekuendigt, den „besten“ Fisch der Stadt- der seinen Namen nicht umsonst traegt, wie ich finde.

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Salah und seine Familie

Heute werde ich noch einmal bei Salah uebernachten, bevor es dann morgen wieder weitergeht. Im Prinzip koennte ich noch laenger hier bleiben, da ich fuer die verbleibenden 400 Km bis zur Grenze noch mehr als 10 Tage Zeit habe, bis am 01.Februar mein Visum beginnt. Da ich nun aber schon den 3. Tag in Dakhla bin und lieber etwas zu frueh als zu spaet an der Grenze bin, werde ich doch aufbrechen. Die Strecke bis dorthin soll noch verlassener sein, als sie es die ganze Zeit schon war- versorgungstechnisch koennte es also etwas eng werden.

Der naechste Bericht folgt also aus Mauretanien- ich bin gespannt, was sich mit dem Grenzuebertritt wieder alles verandern mag und hoffe, dass ich bis dorthin unterwegs nicht verdurstet bin.

Liebe Gruesse,

euer Sascha

PS: Soeben habe ich eine kleine „Pinnwand“ eingerichtet. Ihr findet sie; indem ihr ganz oben auf der Seite „Pinnwand“ statt „Home“ auswaehlt. Dort koennt ihr gerne eure Kommentare hinterlassen, wenn ihr wollt. Ausserdem habe ich mal wieder meine Route aktualisiert, was ich bei den letzten beiden Artikeln versaeumt habe- ihr findet sie wie immeram Ende des Artikels; etwas zoomen hilft, wenn man’s genauer wissen will.



Die Wueste ruft

4 01 2011

Ein frohes neues Jahr 2011 wuensche ich all meinen treuen Mitlesern;)

Ich sitze im Moment in einem Internet-Cafe in Tan-Tan, einer der wenigen Stadte mitten im Nichts zwischen Agadir und der mauretanischen Grenze. Nachdem die letzten Berichte in ziemlich grossen Abstaenden folgten und daher etwas ueberblicksartig ausfallen mussten, habe ich mir gedacht, diesen etwas frueher zu bringen und dafuer mehr auf die einzelnen Tage einzugehen- ein bisschen Abwechslung kann ja nicht schaden…anfangen werde ich dort, wo ich beim letzten Mal aufgehoert habe, in Marrakesch.

Die rote Stadt

Meine Tage in Marrakesch waren insgesamt sehr nett; dies vor allem wegen der tollen Familie von Boujeema, an die ich gewissermassen vermittelt worden bin. Dem Ruf als „magische Stadt“ ist Marrakesch meiner Meinung aber nicht gerecht geworden. Der sagenumwobene Platz Djem el Fna ist zwar wirklich einzigartig, letztendlich geht es aber mal wieder nur darum, den Touris auf kreative Art und Weise das Geld aus der Tasche zu locken. Man kann kein Foto machen von irgendetwas, ohne dass nicht gleich jemand angelaufen kommt und dafuer die Hand aufhaelt-schrecklich! Offenbar haben auch die Marokkaner erkannt, dass ein Fotoapparat ein vermeintliches Zeichen fuer Wohlstand ist (nur nicht bei mir;) ). Leider tappe ich trotzdem in die Falle: Als die marrokanische Bauchtaenzerin aber 5 mal mehr als meinen Alibi-Dirham haben will, den ich zoegernd gebe, will ich mein Geld zurueck und das Foto loeschen; man kann darauf eh kaum etwas erkennen. Doch das gefaellt der Guten ueberhaupt nicht- „Degage!“ (Hau ab!) ist alles, was sie mir mitzuteilen hat- Das Foto loesche ich am Ende doch.

Schlangenbeschwoerer auf dem Djem el Fna- gut, dass die Kamera einen guten Zoom hat...

Schlangenbeschwoerer auf dem Djem el Fna; gut, dass die Kamera einen guten Zoom hat...

In der Wohnung geht es da schon sehr viel freundlicher zu. Der Umgang ist wie gewohnt herzlich und unkompliziert- bereits am 2. Tag werde ich von den Eltern „mein Sohn“ genannt, nicht zum ersten Mal als Gast bei einer Familie: Hier in Marokko ist man in vielerlei Hisicht sehr viel direkter als bei uns. Jeden Abend erzaehlt mir der Vater Geschichten aus dem Koran; er ist ueberzeugt davon, dass ich eines Tages dem Islam beitreten werde.  Wie fast jede Familie, die ich hier kennengelernt habe, ist auch diese sehr glaeubig. Wenn ich in einer seiner wenigen Sprechpausen vom Christentum erzaehle, schuettelt er nur den Kopf: – „Wie soll denn ein Kind ohne Mann geboren werden? Das kann doch schon gar nicht stimmen.“ -“ Durch Gott“, versuche ich zu erklaeren, „Gerade das nennen die Christen ja das Wunder in der Bibel.“ – „Ach Was! Es gibt nur einen Gott und der braucht keine Frau und keinen Sohn. Da gibt es kein Wunder!“… Nur gut, dass ich kein Missionar bin- schnell schalte ich wieder auf Zuhoeren um.

Langsam verstehe ich, warum hier keine Weihnachtsstimmung aufkommen will. Doch zumindest in DER Touristenhochburg schlechthin haette ich an Heiligabend etwas mehr als ein paar Lichterketten vor manchen Restaurants erwartet, aber selbst auf dem Djem el Fna ist nichts zu sehen. Mein erstes Weihnachten weit weg von zu Hause- schnell merke ich, wie wenig vom Weihnachtszauber uebrig bleibt ohne Winter, Schnee, festlicher Dekoration und vor allem: ohne Heimat, Freunde und Familie. Gut, dass ich hier wenigstens die Moeglichkeit habe mit der family zu Hause zu skypen, so koennen sie beruhigt im fernen Stahlhofen feiern.

Die hohen Berge

Wegen drohender Zeitnot und meiner allgemeinen Abneigung gegen Berge, hatte ich eigentlich vor, den Hohen Atlas so weit wie moeglich zu umfahren. Inspiriert durch die Berichte anderer Radreisender dort, entschied ich mich spontan aber dann doch fuer den direkten Weg- ueber den Tizi ’n‘ Test, einen Pass auf ca. 2100 m. Laut besagter Berichte soll der im Winter zeitweilig eingeschneit sein (daher entsprechende Ankuendigung im letzten Artikel). Tatsaechlich finde ich zwar gefrorene Strassen (gluecklicherweise) aber keinen Schnee vor- ein Erlebnis war es trotzdem!

Bereits von Marrakesch aus kann man die eingeschneiten Gipfel der Berge erkennen, die sich majaestetisch am Horizont auftuermen. 30 Km hinter der Stadt beginnt schliesslich der Aufstieg ins Gebirge.

vie deutlicher kann eine Warnung kaul ausfallen- ab jetzt gehts bergauf!

viel deutlicher kann eine Warnung nicht ausfallen: ab jetzt gehts bergauf!

Am 1. Tag fahre ich gleich auf ca. 1100 m rauf- ueberraschend schmerzlos, wie ich finde. Waehrend der Nacht im Zelt abseits der Strasse spuere ich aber den Unterschied: es ist deutlich kaelter als am Vortag und vor allem- wunderbar still; ich geniesse die voellige Ruhe, die nur ab und zu von einem Auto unterbrochen wird. Die 62 Km am 2. Tag  sind sogar noch schlerzfreier als die am 1; es geht leicht auf und ab, aber ich habe Schlimmeres erwartet- die Aussichten, die sich mir immer wieder bieten sind hingegen wie erhofft.
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Am Abend in einem Dorf angekommen laedt mich der Direktor der dortigen Schule zum Uebernachten ein. Ich zelte in einem Unterstand neben dem Schulhof; gegessen wird auf ausrangierten Schulbaenken, die mir natuerlich viel zu klein sind.
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Am 3. Tag folgt schliesslich der eigentliche Aufstieg zum Pass. Bei einem kurzenTee vorm Aufbruch werden mir 24 Km bergauf angekuendigt. Der Hoehenunterschied ist dabei gar nicht so gross- die Strasse schlaengelt sich wie eine Murmelbahn bei maessiger Steigung den Berg hinauf und gibt immer wieder einzigartige Panoramas preis. Ein Glueck, dass ich bestes Wetter erwischt habe, so habe ich eine klare Sicht- ebenso klar, dass sich meine Fahrt deutlich verlaengert durch die vielen Foto-Stops, die ich einlege.
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Unterwegs treffe ich ein hollaendisches Radler-Paar mit einem GPS: noch 12 Km und 300 Hoehenmeter- das Ende naht! Kurz vor dem Pass wird die Luft richtig frostig, eine Pfuetze auf der Strasse ist gefroren; bei Sonne und ansteigender Strasse gerate ich aber selbst in Trikot und kurzer Hose noch ins Schwitzen. Als der Pass fast erreicht ist, habe ich einen tolllen Blick auf den hoechsten Berg im Gebirge (und gleichzeitig in ganz Nordafrika), den Djiebel Toubkal mit 4167 m. Schnell noch ein Beweis-Foto, dann geht es ueber den Pass auf die andere Seite.
Foto mit dem hoechsten Berg Nordafrikas- so muss sich Reinhold Messner einst gefuehlt haben;)

Foto mit dem hoechsten Berg Nordafrikas- so muss sich Reinhold Messner einst gefuehlt haben;)

Hier erwartet mich ein 40 Km langer Abstieg auf einer tollen Panorama-Strasse. Also lange Hose, Muetze, Fleece und Jacke an & ab geht’s. 3 Tage Aufstieg, 1 Stunde Abfahrt (wiederum mit zahlreichen Foto-Pausen;) ) – so schnell ist mein Berg-Abenteuer vorbei…
Die lange Strasse
Unten angekommen scheint die Sonne so heiss zu brennen wie noch nie; vielleicht hatte ich mich schon an die frische Bergluft gewoehnt?! Im 1. groesseren Ort seit 3 Tagen will ich endlichwieder richtig einkaufen- wie praktisch, dass ich genau am Wochenmarkt komme, denn guenstiger und frischer kann man in Marokko nichts bekommen. Ich decke mich ein mit 3 Broten, je einem halben Kilo Bananen und Orangen, ausserdem Zwiebel, Kuerbis & Kartoffel fuer’s Abendessen- alles zusammen fuer umgerechnet 1,50 Euro!
Am Abend zelte ich -wie schon haeufiger- neben einer Tankstelle. Den Tip hierzu habe ich von einem marokkanischen Radler bekommen. Tatsaechlich brauche ich mein Anliegen nie lange erklaeren, um einen Zeltplatz in oder neben der Station zu bekommen, die die ganze Nacht von einem Waerter bewacht wird, natuerlich gratis- aeusserst praktisch!
Gestaerkt von einem grossen Gemuesetopf  am Vorabend und fit nach meinem Hoehentraining geht es am naechsten Tag mit Rueckenwind auf in Richtung Kueste. Aufgrund der optimalen Bedingungen, stelle ich meinen bisherigen Marokko-Rekord auf: 105 Km, das gab es sonst nur in Frankreich und Spanien; scheint so, als ob die alte Form langsam zurueckkehrt.
Sind das etwa schon die Tropen???

Sind das etwa schon die Tropen???

An diesem Tag schlafe ich ich in einem riesigen Bananen-Gewaechshaus- durch Zufall habe ich ausgerechnet den Besitzer der Plantage nach einem geeignetem Zeltplatz gefragt. Die Atmosphaere ist in der Tat wie im Dschungel: die Luft ist heiss, feucht und erfuellt von den Lauten der Grillen, die diese die ganze Nacht von sich geben. Endlich kann ich mich auch mal wieder waschen- mit einem Eimer kaltem Wasser; Gott sei Dank steht hier die Luft! Zum Abschied bekomme ich noch Orangen und -natuerlich-eine riesige Staude Bananen geschenkt.
Die ersten Kilometer des naechsten Morgens geniesse ich noch den angenehmen Rueckenwind, dann biege ich ab auf eine Strasse, die mich die komplette Kueste entlang durch die Sahara und schliesslich nach Mauretanien fuehren wird: Die Nationalstrasse 1.
Die Nationalstrasse 1- eine sehr, sehr lange Strasse

Die Nationalstrasse 1- eine sehr, sehr lange Strasse

Angeblich ist das Atlas-Gebirge eine natuerliche Grenze innerhalb Marokkos, die Norden und Sueden voneinander trennt. Zumindest klimatisch koennte das durchaus stimmen, denn zum 1. Mal waehrend meiner Tour setzt mir die Sonne richtig zu; ich fuehle mich matt und kraftlos. Immerwieder muss ich anhalten und mich im Schatten ausruhen und versuche gegen die Hitze anzutrinken, mehr als 4 Liter an diesem Tag; die Lippen bleiben trotzdem sproede. Auch landschaftlich kuendigt sich eindeutig ein Wechsel an: Die Vegetation ist im Gegensatz zum Norden stark zurueckgegangen; Kakteen und Steine bestimmen das Bild, nur vereinzelt ist noch eine einsame Palme zu entdecken.
Nicht mehr zu uebersehen: Die Wueste rueckt naeher

Nicht mehr zu uebersehen: Die Wueste rueckt naeher

Auch die Ortschaften werden weniger, zwischen 2 Siedlungen liegen gerne schon mal 40 Km- gut, dass ich dank zusaetzlichem Getraenkehalter nun bis zu 5,5 Liter mitnehmen kann. Dem Marokkaner, der mit Turban am Strassenrand sitzt und mich um einen Schluck bittet, gebe ich daher natuerlich gerne etwas ab. Am Ende dieses Tages frage ich in einem Dorf nach einem sicheren Zeltplatz. Zunaechst bekomme ich einen Vorraum der Moschee angeboten, doch dieser ist offen und zu klein, um das Zelt aufzustellen. Zumindest den Kindern des Ortes gefaellt es, das der Fremde genau in der Dorfmitte schlafen soll, denn hier kann man ihn und seine Ausruestung in aller Ruhe inspizieren. Ich habe nichts dagegen, denn im Gegensatz zu vielen anderen Kindern Marokkos, sind diese allesamt zurueckhaltend-freundlich.
So eine Brille und ein Helm sind schon was Tolles...

So eine Brille und ein Helm sind schon was Tolles...

...und auch ine Kamera kann begeistern

...und auch eine Kamera kann begeistern

Als ich mich schon mit vielen Decken auf eine kalte Nacht eingestellt habe, kommen ploetzlich 2 junge Marokkaner vorbei und laden mich zu sich nach Hause ein; sie hatten von dem Radler gehoert, der neben der Moschee schlafen soll- zumindest, dass Neuigkeiten nicht lange geheim bleiben, scheint auch hier nicht anders zu sein. Im Haus esse ich mit noch 3 anderen Freunden eine leckere Tajine; zum Nachtisch lege ich die grosse Bananenstaude auf den Tisch.
Mit Tiznit erreiche ich am 3. Tag „im Sueden“ die 1. groessere Stadt an der langen Strasse. Ich kaufe mir erst einmal Sonnencreme und Lippenbalsam, wobei mich ein freundmicher Marokkaner anspricht; Ich schaetze ihn auf Anfang 30. Er erzaehlt, er repariere Wohnmobile, die durch die Stadt kommen- wenn ich will, kann ich in seinem Atelier uebernachten. Ich hatte zwar eigentlich vor noch ein Stueck weiterzufahren, aber warum eigentlich nicht!? In der Werkstatt angekommen diskutieren wir ueber die Lebensumstaende hier und in Europa. Wie so viele junge Maenner, will auch Adil so bald wie moeglich dorthin auswandern. Was die Arbei angeht hat er ueberzeugende Gruende: Versicherung, Rente und Sozialleistungen sind fuer ihn ausschlaggebend. Mit seinen 100 € Monats(!)gehalt lebe er naemlich gewissermassen von der Hand in den Mund- das verstehe ich gut. Zumindest aber was die Menschen, ihre Mentalitaet, sowie das Land selbst angeht, sind wir uns einig, dass Marokko Europa eindeutig vorzuziehen ist…und was seinen Gehalt angeht, rate ich ihm bei seinem franzoesischen Chef eine Gehaltserhoehung zu fordern- das hatte er sowieso vor, sagt er.
Adil, der Mechaniker aus Tiznit

Adil, der Mechaniker aus Tiznit

An Sylvester verlasse ich die „grosse Strasse“, um eine kleine Abwechslung auf einer kleineren Route an der Kueste entlang zu nehmen. Auf die Art kann ich die letzte Sonne des Jahres ueber dem Atlantik untergehen sehen und am Strand zelten. Gluecklicherweise finde ich dort eine kleine Huette. Sie gehoert einem Fischer, der sich ueber ein wenig Gesellschaft freut; ueberrascht nimmt er zur Kenntnis, dass heute Sylvester sein soll. Bei dem ersten Bad im Meer hier werden Erinnerungen an die Zeit in Spanien wach, nur dass das Mittelmeer im Oktober waermer war als der Atlantik im Dezember. Am Neujahrsmorgen stehe ich extra frueh auf, um mit dem Fischer zu fruehstuecken und die ersten Sonnenstrahlen festzuhalten, die auf meinen Premium-Zeltplatz fallen. Hoffentlich sind die Aussichten fuer 2011 ebenso gut wie von dort oben…
Mein erstes Neujahr am Strand

Mein erstes Neujahr am Strand

Die grosse Wueste
Fast schon zu spaet komme ich an diesem Tag voller Kurven, Berge und Schweiss in meinem Etappenziel Guelmim an. Die Zeit reicht gerade noch, um meine Einkaeufe auf dem Markt zu machen und mir eine Tankstelle zum Zelten zu suchen. Der freundliche Tankwart laedt mich am naechsten Morgen zu sich nach Hause ein, doch ich lehne dankend ab, denn heute erwartet mich nichts als Einoede; die naechste Stadt Tan-Tan ist 140 Km entfernt und bis dahin soll es auf halber Strecke genau eine kleine Ortschaft mit 2 Cafés geben, also breche ich lieber gleich auf.
Nichts-so weit das Auge reicht
Unterwegs kommt bald richtiges Wuestenfeeling auf- kein Wunder, denn ich befinde mich inzwischen mitten in der Hammada, einem Vorboten der grossen Sahara-Wueste. Waehrend der vergangenen Tage sind dann auch die letzten einsamen Palmen verschwunden und es herrscht absolutes Nichts- so weit das Auge reicht. Daher  habe ich so meine Schwierigkeiten einen geeigneten Platz zum Pausieren zu finden: es gibt einfach nirgendwo Schatten! Da muss schon mal ein Strassenschild als Schutz vor der extremen Sonne herhalten. Die Einsamkeit wird lediglich von ein paar Ziegen- und der ersten riesigen Kamelherde unterbrochen, die ich bisher zu Gesicht bekommen habe- aber keine Sorge, ich wurde gewarnt;)
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Bei der besagten Siedlung angekommen, die tatsaechlich im Grunde aus 2 Cafés besteht, werde ich prompt vom Koch des einen zum Uebernachten eingeladen- das trifft sich gut, denn in der verbleibenden Stunde Tageslicht kann ich meine Sachen waschen und auf der Terasse aufhaengen. Bei einem Omlett und einer Tasse Tee fuehre ich ein langes Gespraech mit eben diesem Koch, der in seinen jungen Jahren als Student viel herumgekommen ist: England, Frankreich, Spanien und natuerlich Afrika- entsprechend interessant sind seine Ansichten zu der Politik seines Landes und der Europas.
Die zweite Haelfte der Strecke nach Tan-Tan ist, wie nicht anders zu erwarten, ganz aehnlich wie die erste. Eine Polizeikontrolle unterwegs, ansonsten bekomme ich kein Gesicht ausser durch eine Autoscheibe zu sehen. Es ruecken bereits die ersten Sandduehnen ins Blickfeld- wenigstens eine kleine Veraenderung erwartet mich in den naechsten Tagen also noch, von Geroell zu Sand…
Die gestrige Nacht habe ich hier in Tan-Tan bei einem Marokkaner verbracht, den ich gestern in dem einsamen Ort im Café kennengelernt habe. Leider ist er aber heute wieder nach Guelmim gefahren, sodass ich mir gleich mein Rad nehmen und die letzte Tankstelle des Ortes aufsuchen werde, schliesslich ist es schon dunkel geworden beim Schreiben dieses Artikels.
Morgen frueh geht es dann wieder auf die Strecke, naechste Station ist Laayoune, die „Hauptstadt der Wueste“, wie man sie hier nennt, ich bin gespannt.
So, ich darf jeden, der bis zum Ende durchgehalten hat, herzlich zu dieser Leistung beglueckwuenschen und verspreche, mich beim naechsten Mal kuerzer zu fassen;)
Alles Gute,
euer Sascha