spontanter Richtungswechsel

1 02 2011

Hallo zusammen,

im Gegensatz zum letzten Mal, habe ich diesmal in der Tat Neuigkeiten zu berichten: ich habe kurzentschlossen meine Reiseplaene geaendert und werde nun nicht mehr in den Senegal, sondern morgen frueh nach Bamako, in die Hauptstadt Malis fahren- und das nicht mit dem Fahrrad, sondern als Mitfahrer im Auto. Bevor ich euch aber in Ruhe erzaehle wie es dazu kam, werde ich, wie immer, die vergangenen Tage seit meinem letzten Blogeintrag in Dakhla zusammenfassen; eure Geduld ist also gefragt, um nicht gleich nach unten durchzublaettern.

Die letzten Tage in Marokko

Nachdem ich am Morgen nach meinem Blogeintrag Salah’s Familie und Dakhla verlassen hatte, ging es erst einmal wie gewohnt nach Schema F weiter: 1 Polizeikontrolle, 1 Tankstelle, Zelten am Mobilfunkmasten- alles wie gehabt. Bei der Polizeikontrolle am 2. Tag werde ich allerdings vom Beamten gewarnt: ab diesem Posten sei 10-20 m abseits der Strasse mit herumliegenden Minen zu rechnen, weshalb dort unbedingt den ausgefahrenen Pisten zu folgen sei! Ich sehe die Neuigkeit optimistisch, bedeutet sie doch, dass ich mich allmaehlich dem Grenzgebiet zu Mauretanien naehere, es geht also voran- und das ist schliesslich eine gute Nachricht!

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In der Tankstelle neben der Kontrollstation hat der Verkaeufer gleich noch eine schlechte Nachricht fuer mich: auf den naechsten 160 Km gaebe es keinerlei Moeglichkeit Wasser oder Brot zu bekommen- eine gute Werbung fuer seine Produkte- und so kaufe ich mir 6 Brote und 2 Flaschen Wasser extra, die ich mir unter die Spanngurte klemme und mache mich auf den Weg.

Am folgenden Tag passiert dann das, was hier in der Wueste auf diesem Abschnitt gerade nicht passieren sollte: mein Hinterreifen verliert Luft. Da ich noch nicht weit gekommen bin und mir zum Wechseln des Schlauches die Wahl zwischen Strasse und Wuestensand bleibt, bevorzuge ich vorerst einfach aufzupumpen und mit schleichendem Plattfuss weiterzufahren,waehrend ich eine geeignete Haltemoeglichkeit suche. Diese finde ich nach 20 Km in Form von einigen Wohnmobile neben einer vermeintlichen Fischerhuette am Stand. Die „Fischer“ stellen sich auf Nachfrage allerdings als Wachposten der „Marine Royale“ heraus (da lag ich ja nur ganz knapp danaben…); es handelt sich um 2 juengere Marokkaner und ihren  „Chef“ (der auch nur so angesprochen wird). Trotz meines nicht gerade schmeichelhaften Audftritts haben sie nichts dagegen, dass ich hier das Rad repariere und anschliessend mein Zelt aufstelle. Nachdem das erledigt ist, bleibt noch Zeit fuer ein entspanntes Bad im Meer und einen Strandspaziergang in der untergehenden Sonne.

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Auch das gibt es in der Wueste: ein Sonnenuntergang am Strand

Am Abend laden mich die 3 Marokkaner zu einer Tajine mit frischem Fisch ein, den der „Chef“ hoechstpersoenlich soeben  geangelt hat (mit meiner Fischer-Vermutung war ich also doch nicht so falsch…), was dem Tag den perfekten Abschluss verleiht. In Urlaubsstimmung versetzt kann ich mich am naechsten Morgen nicht von diesem malerischen Ort trennen und beschliesse somit einen kompletten Strandtag einzulegen. So verbringe ich den Tag nicht strampelnd auf dem Fahrrad, sondern mit Faulenzen in der Sonne, lesen, baden…genau das richtige Kontrastprogramm zum eintoenigen Wuestenalltag.

Die 50 Km bis zur naechsten Raststaette am folgenden Tag sind wegen eines kontinuierlichen Gegenwinds eine einzige Qual. Mehr als 13 Km/h sind nicht drin. An der Tankstelle angekommen, goenne ich mir nach all dem Frust zunaechst einen Haehnchenteller mit Pommes und Salat, wobei sich meine Stimmung wieder bessert; aufs Rad steige ich trotzdem nicht mehr, sondern zelte in dem kleinen Ort. Als der Wind am naechsten Morgen aber immernoch unveraendert blaest, fahre ich zu besagter Tankstelle zurueck und suche mir einen gnaedigen Pickup-Fahrer, der mich die letzten 80 Km bis zur Grenze mitnimmt. Auf der Fahrt werde ich etwas wehmuetig angesichts des bevorstehenden Abschieds von dem Land, das mich 2 1/2 Monate meiner Reise begleitet hat; ich denke zurueck an all die schoenen Erlebnisse, die ich hier hatte und die vielen tollen Menschen, die ich kennen lernen durfte.

Bevor ich das Koenigreich endgueltig verlasse, wechsel ich meine letzten Dirham in Ouguiya, die Waehrung Mauretaniens, um und staune ueber den Wechselkurs: ein Dirham ist stolze 32 Ouguiya wert; ein Euro entspricht 375 Ouguiya. Da der groesste Schein der 2000er ist, hat er einen Wert von etwas mehr als 5 Euro, sprich unserem kleinsten Schein; der kleinste Schein hier wiederum ist der 100er, sprich nicht einmal 30 Cent! Ausgestattet mit der neuen Waehrung hole ich meinen Ausreisestempel ab, passiere die Grenze und verlasse damit offiziell das Koenigreich Marokko- freundlicherweise ist der Ausgang ausgeschildert…

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Hier geht’s raus aus Marokko!

Unmittelbar hinter der Zollstation hoert die Strasse ploetzlich auf, stattdessen wechseln sich Schotter- und Sandpiste ab; es gibt nicht einmal einen eingefahrenen Weg, sondern vielmehr unzaehlige schmale Pfade,ausgebrannte Autowracks liegen auf und neben der Piste „Hilfe! Wo bin ich hier gelandet??“frage ich mich.

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Das muss das Ende der Welt sein!

Als ich schon den Abgrund dieser Welt erwarte (Asterix & Obelix hatten wohl doch recht…), ruecken gluecklicherweise die Fahnen Mauretaniens ins Blickfeld . Doch noch ist die Grenze 5 Km entfernt; ich bin zwar aus Marokko aus-aber noch nicht in Mauretanien eingereist, ich befinde mich also im absoluten Niemandsland zwischen beiden Staaten. Spontan gehen mir einige Fragen durch den Kopf angesichts dieser bizarren Situation: Wer wohl Steuern verlangt, wenn ich mein Haus auf diesem schoenen Flecken Erde aufstellen wuerde? Welchses Geburtsland wohl im Pass des Kindes steht, das hier unverhofft zur Welt kaeme? Und vor allem: Wen muss ich bitte anrufen, wenn ich hier Hilfe brauche??? Zumindest bei dieser Frage faellt mir  die Antwort kurz darauf selbst  ein: Im Zweifelsfall immer die Mama;) Die Notfallnummer fuer alle Faelle!

Ohne Notruf komme ich schliesslich doch noch auf der anderen Seite an. Zu meiner um 7 Tage verfruehten Ankunft stellt der Beamte lediglich eine kurze Rueckfrage, die ich mit einem Fingerzeig auf mein Fahrrad beantworte- da weiss man eben nie so genau… Anschliessend erhalte ich meinen Einreisestempel und befinde mich damit wieder offiziell auf dieser Welt- wenn auch illegal, denn strenggenommen habe ich ja kein Visum, aber so genau nimmt das Gott sei Dank niemand hier.

Einreisestempel und erstes Geld
Ich bin angekommen: Einreisestempel und erstes Geld

Noadhibou

Am naechsten Vormittag komme ich in meiner ersten Station an, wo ich zunaechst die obligatorischen Erledigungen taetige, wie Geld ziehen und einkaufen. Als ich mir anschliessend den Hafen anschauen will, habe ich mal wieder das „Glueck des Reisenden“, als ich Hammada, einen jungen Marokkaner und seine netten Kollegen kennenlerne, die gerade bei der Arbeit sind, wobei wir ins Gespraech kommen. Nach Feierabend laedt er mich zu sich nach Hause ein, wo wir gemeinsam essen und dann in die Stadt gehen. Dort lerne ich schliesslich seine ebenso offenen Freunde kennen und es kuendigt sich ein weiterer laengerer Stadt-Aufenthalt an, als wir schon die naechsten Tage planen, da das Wochenende vor der Tuer steht. Den naechsten Tag verbringe ich mal wieder mit waschen und im Internet-Café, da Hammada noch arbeiten muss. Als er am Abend nach Hause kommt, fahren wir zusammen mit 3 seiner Freunde in das Strandhaus seiner Familie, um zu fischen. Bis um 03.00 Uhr in der Frueh haben sich immerhin 3 Fische erbarmt, unser Mittagessen am naechsten Tag zu sichern, bevor wir wieder nach Hause fahren, ins Bett fallen und uns endlich ausschlafen.

Hammada und Freund Deballahi
Hammada und sein Freund Deballahi (im traditionellen Gewand)

Fuer den folgenden Tag hatte ich eigentlich geplant diesen Blogeintrag zu schreiben; dabei habe ich aber nicht beachtet, dass ich mich nun in Mauretanien befinde: in der ganzen Stadt ist der Strom ausgefallen. Und das nicht, wie ausnahmsweise mal bei uns einmal eine halbe Stunde, sondern 12 Stunden (!), von morgens 09.00 bis um 19.00 Uhr. Und als warere das nicht genug, bekommt man im gesamten Stadtgebiet keinen Handyempfang! Noadhibou ist einfach mal komplett von der Aussenwelt abgeschnitten. In jeder europaeischen Stadt hiesse das absoluter Ausnahmezustand und selbst in Marokko waere so etwas nicht denkbar. Hier aber laeuft das Leben weiter, als waere nichts geschehen. In den Geschaeften werden eben Kerzen aufgestellt, geheizt und gekocht wird eh nur mit Gas- und ansonsten heisst es abwarten und Tee trinken, was Hammada, ich und seine Familie zu Genuege getan haben; auch sie sind an diesen Zustand gewoehnt und harren zu Hause aus; man erklaert mir, dass dies haeufiger vorkommt, da hier schlicht niemand seinen Strom bezahlt und der daher eben haeufiger abgestellt wird.

Schnell habe ich festgestellt, dass Marokko nicht nur geografisch, sondern eben auch kulturell genau zwischen Europa und Afrika liegt; dem „echten“ Afrika, so wie man es sich wohl typischerweise vorstellt, wenn man an diesen Kontinent denkt, weshalb in Noadhibou zum ersten Mal eine Art „Afrika-Feeling“ bei mir aufkam. So ist der Kontrast, den ich zwischen Europa und Marokko erlebt habe, ebensogross wie der zwischen Marokko und Mauretanien: Die Hautfarbe hat sich von einem dunklen Teint der Araber zu einem zumeist voelligen schwarz der Menschen hier gewandelt, die kaputten Nebenstrassen der marokkanischen Staedte sind kompletten Schotter- und Sandpisten gewichen und das Brot, mit dessen Hilfe man das Hauptgericht in Marokko isst, spart man sich ebenfalls; stattdessen wird alles (!) direkt mit den Haenden gegessen. Auch ich setze ein Zeichen und passe mich den neuen „afrikanischen“ Verhaeltnissen an: Als mir Hammada einmal, mehr sagt, dass ich einen perfekten Afrikaner abgeben wuerde, wenn ich nur ihre Kleidung truege, gehen wir zusammen auf den Markt und kaufen mir eine „Boubou“, das Gewand der Mauritanier.

Nun bin ich auch aeusserlich in Afrika angekommen
aeusserst praktisch: die mauretanische Boubou

Nouakchott

Nach 4 Tagen bei Hammada in Noadhibou war es schliesslich Zeit fuer mich aufzubrechen. Da sich die Landschaft im Gegensatz zur Kutur aber nicht wirklich veraendert hat, beschloss ich nun endgueltig die Wueste zu verlassen- und zwar schnell. Also habe ich mich, wie einige Tage zuvor, neben die Strasse gestellt und auf das naechste Farzeug gehofft, das mich und mein Rad in die Hauptstadt Nouakchott, 450 Km entfernt, bringen kann. Ein Marokkaner mit einem Mercedes-Bus war schliesslich so freundlich, mir diesen Wunsch zu erfuellen. Nach 4 Stunden Fahrt kamen wir nach Anbruch der Dunkelheit in der Herberge in Nouakchott an, wo ich viele andere Afrika-Reisenden traf, die mit Motorrad, Fahrrad oder Autos unterwegs sind. Unter diesen waren 3 junge Franzosen, die mit ihrem Mercedes-Bus Schulbuecher nach Bamako/Mali bringen, im Rahmen einer Hilfsorganisation. Sie machen diese Tour schon zum 3. Mal und haben den ganzen Abend von dieser Stadt geschwaermt; da sie ausserdem alle ausgesprochen sympathisch sind, habe ich spontan beschlossen sie nach Bamako zu begleiten- Abfahrt morgen frueh. Vor einer Stunde bin ich von der malischen Botschaft zurueckgekommen, wo ich mein neues Visum beantragt habe; wiederum 1 Monat fuer diesmal 20 Euro- ein gluecklicher Zufall, dass ich sie gerade in der Hauptstadt getroffen habe…

frisch aus der Botschaft: mein 3. Visum
frisch aus der Botschaft: mein 3. Visum

In  voraussichtich 3 Tagen werden wir die 1500 Km nach Bamako zurueckgelegt haben, wo wir anschliessend einige Zeit verbringen werden. Wie es danach weitergeht, ob ich zurueck an die Kueste fahre oder weiter ins Innere des Kontinents, ob mit dem Fahrrad oder dem Auto, weiss ich im Moment selbst noch nicht- jetzt geht es erst einmal nach Mali, das 3. Land innerhalb von 2 Wochen. Ich bin froh, dass meine Reise nun einen neuen Impuls bekommt und freue mich schon auf die neuen Eindruecke, die mich in Bamako erwarten.

Was das fuer welche waren, werde ich im naechsten Blog erzaehlen; ich bin selbst gespannt, von wo aus das sein wird.

Bis dahin Liebe Gruesse,

euer Sascha



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